Der Stuhl des Mosche
Matthäus 23:2-4
„Die Schriftgelehrten und die Peruschim haben sich auf Mosches Stuhl gesetzt. Alles nun, was irgend sie euch sagen, tut und haltet; aber tut nicht nach ihren Werken, denn sie sagen es und tun's nicht. Sie binden aber schwere und schwer zu tragende Lasten und legen sie auf die Schultern der Menschen, aber sie wollen sie nicht mit ihrem Finger bewegen.“
Was ist der Stuhl des Mosche?
Man ist sich nicht einig darüber was Jeschua genau mit dem Stuhl des Mosche meint, da dieser Begriff nur ein einziges Mal in der heiligen Schrift vorkommt. Auch in sonstiger jüdischer Literatur ist der Stuhl des Mosche unbekannt. Es gibt allerdings zwei gängige Interpretationen.
1. Der Stuhl des Mosche ist eine metaphorische Bezeichnung für Autorität. Somit würde Jeschua sagen, dass die Schriftgelehrten und Peruschim in einer Autoritätslinie mit Mosche stehen und daher alles zu tun ist, was sie sagen.
2. Der Stuhl des Mosche ist ein tatsächlicher Stuhl, den man in einigen antiken Synagogen finden kann. Dieser Stuhl soll neben der Torah gestanden haben und die Person die darauf saß, las aus der Torah und daher ist alles was diese Person, auf diesem Stuhl, fordert zu befolgen.
Welche dieser Theorien wahr ist, kann man nur indirekt beweisen. Dass es bestimmte Stühle in bestimmten Synagogen gab, ist unstrittig. Was allerdings ihre tatsächliche Funktion war, ist unbekannt. Doch bevor wir zu weit ausholen schauen wir uns die Aussage Jeschuas nochmal genau an.
„Die Schriftgelehrten und die Peruschim haben sich auf Mosches Stuhl gesetzt. Alles nun, was irgend sie euch sagen, tut und haltet; aber tut nicht nach ihren Werken, denn sie sagen es und tun's nicht.“
Was meint Jeschua mit ihren Werken? Geht es hier einfach nur um Heuchelei? Geht es hier darum, dass die Pharisäer Gebote schaffen, die sie dann selbst nicht einhalten? Geht es zum Beispiel darum, dass sie sagen man müssen sich vor dem Essen die Hände auf eine bestimmte Art waschen und tun es dann selbst nicht? „Sie sagen es aber tun es nicht“ würde darauf hinweisen.
„Sie binden aber schwere und schwer zu tragende Lasten und legen sie auf die Schultern der Menschen, aber sie wollen sie nicht mit ihrem Finger bewegen.“
Jeschua beschreibt hier die Dinge, die die Pharisäer von den Leuten verlangen mit schweren Lasten. Lasten die kaum zu tragen sind und die die Pharisäer selbst nicht im geringsten tragen. Was kann damit gemeint sein?
Hat Jeschua tatsächlich gemeint, dass man diese schweren und kaum zu tragenden Lasten tragen muss, da man ihre Autorität, die sie von Mosche ableiten, achten muss? Wenn dem so wäre, dann müsste sich das im Handeln Jeschuas selbst zeigen. Wenn Jeschua tatsächlich will, dass wir ALLES tun was die Peruschim gebieten, dann dürfte Jeschua nicht gegen diese Gebote verstoßen und dürfte auch nicht gegen diese Gebote lehren, denn sonst wäre er ein Heuchler, wie die Peruschim. Dann würde auch er zwar SAGEN, aber nicht TUN.
Alles?
Gibt es Stellen an denen Jeschua der Lehre der Peruschim widerspricht? Ich meine wirklich der Lehre, nicht ihrem eventuell heuchlerischen Verhalten.
Gleich noch im selben Kapitel finden wir Beispiele wo Jeschua der Lehre der Peruschim widerspricht.
„Wehe euch, blinde Leiter! Die ihr SAGET: Wer irgend bei dem Tempel schwören wird, das ist nichts; wer aber irgend bei dem Golde des Tempels schwören wird, ist schuldig. Narren und Blinde! Denn was ist größer, das Gold, oder der Tempel, der das Gold heiligt? Und: Wer irgend bei dem Altar schwören wird, das ist nichts; wer aber irgend bei der Gabe schwören wird, die auf ihm ist, ist schuldig. Narren und Blinde! Denn was ist größer, die Gabe oder der Altar, der die Gabe heiligt? Wer nun bei dem Altar schwört, schwört bei demselben und bei allem, was auf ihm ist. Und wer bei dem Tempel schwört, schwört bei demselben und bei dem, der ihn bewohnt. Und wer bei dem Himmel schwört, schwört bei dem Throne Gottes und bei dem, der darauf sitzt.“
Matthäus 23:16-22
Hier haben die Peruschim gelehrt, wann man an einen Schwur gebunden ist und wann nicht. Wenn die erste Theorie korrekt wäre und die Peruschim in der Autorität des Mosche das Gesetz auslegen und man alles tun muss, was sie SAGEN, dann müsste diese Auslegung akzeptiert werden, dann müsste klar sein: „Alles klar, wer beim Tempel schwört ist nicht gebunden, wer aber bei dem Gold des Tempels schwört der ist gebunden, etc.“ Aber Jeschua widerspricht diesen Auslegungen vehement. Wie kann das sein?
Schauen wir uns mal den Umgang Jeschuas mit einem schon erwähnten Lieblingsgebot der Pharisäer an. Der Handwaschung:
„Und es versammeln sich zu ihm die Peruschimund etliche der Schriftgelehrten, die von Jeruschalem gekommen waren; und als sie etliche seiner Jünger mit unreinen, das ist ungewaschenen Händen Brot essen sahen (denn die Peruschim und alle Juden essen nicht, es sei denn, dass sie sich sorgfältig die Hände waschen, indem sie die Überlieferung der Ältesten halten; und vom Markte kommend, essen sie nicht, es sei denn, dass sie sich waschen; und vieles andere ist, was sie zu halten überkommen haben: Waschungen der Becher und Krüge und ehernen Gefäße und Tischlager), sodann fragen ihn die Pharisäer und die Schriftgelehrten: Warum wandeln deine Jünger nicht nach der Überlieferung der Ältesten, sondern essen das Brot mit unreinen Händen? Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Trefflich hat Jeschajahu über euch Heuchler geweissagt, wie geschrieben steht: "Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist weit entfernt von mir. Vergeblich aber verehren sie mich, indem sie als Lehren Menschengebote lehren." Denn das Gebot Gottes aufgebend, haltet ihr die Überlieferung der Menschen: Waschungen der Krüge und Becher, und vieles andere dergleichen ähnliche tut ihr. Und er sprach zu ihnen: Trefflich hebet ihr das Gebot Gottes auf, auf dass ihr eure Überlieferung haltet. Denn Mosche hat gesagt: "Ehre deinen Vater und deine Mutter!" und: "Wer Vater oder Mutter flucht, soll des Todes sterben." Ihr aber saget: Wenn ein Mensch zu dem Vater oder zu der Mutter spricht: Korban (das ist Gabe) sei das, was irgend dir von mir zunutze kommen könnte; - und ihr lasset ihn so nichts mehr für seinen Vater oder seine Mutter tun, indem ihr das Wort Gottes ungültig machet durch eure Überlieferung, die ihr überliefert habt; und vieles dergleichen ähnliche tut ihr. Und als er die Volksmenge wieder herzugerufen hatte, sprach er zu ihnen: Höret mich alle und verstehet! Da ist nichts, was von außerhalb des Menschen in denselben eingeht, das ihn verunreinigen kann, sondern was von ihm ausgeht, das ist es, was den Menschen verunreinigt. Wenn jemand Ohren hat zu hören, der höre!“
Markus 7:1-16
Was ist aus „alles was sie euch sagen haltet“ geworden? Nicht nur, dass Jeschua hier das Gebot der „Alten“ übertritt, seine Hände vor dem Essen zu waschen und somit eine besondere Reinheit herzustellen, nein er greift auch weiter andere Gebote der Menschen an. Dass man zum Beispiel unter bestimmten Umständen seine Eltern nicht mehr versorgen muss. Haben die Peruschim nun Autorität Gebote zu verfassen oder nicht? Haben sie die Autorität die Torah auszulegen, wie sie möchten? Ich beginne es zu bezweifeln.
Manche kommen bei dieser Geschichte nun an und meinen, nur die Jünger hätten sich nicht die Hände gewaschen, von Jeschua steht da nichts. Er hat bestimmt die Hände gewaschen um keinen Anstoß zu erregen. Unabhängig davon, dass es hier eigentlich darum geht, was Jeschua von uns erwartet, ist diese Aussage unfassbar naiv. Erstens ist es die Aufgabe eines Talmid seinen Meister zu imitieren. Wenn also Jeschua die Handwaschung praktiziert hätte, hätten es die Jünger mit Freuden auch getan, besonders wo es doch schon ein solch integraler Ritus im Judentum war. Der Akt des nicht Händewaschens war eine bewusste und aktive Entscheidung, nicht einfach ein Versehen. Zudem lesen wir in Lukas 11:37ff sehr genau, wie Jeschua selbst es mit der Handwaschung hielt.
„Indem er aber redete, bat ihn ein gewisser Parusch, dass er bei ihm zu Mittag essen möchte; er ging aber hinein und legte sich zu Tische. Als aber der Parusch es sah, verwunderte er sich, das er sich nicht erst vor dem Essen gewaschen hatte. Der Herr aber sprach zu ihm: Jetzt, ihr Peruschim, reiniget ihr das Äußere des Bechers und der Schüssel, euer Inneres aber ist voller Raub und Bosheit. Toren! Hat nicht der, welcher das Äußere gemacht hat, auch das Innere gemacht? Gebet vielmehr Almosen von dem, was ihr habt, und siehe, alles ist euch rein. Aber wehe euch Peruschim! Denn ihr verzehntet die Krausemünze und die Raute und alles Kraut, und übergehet das Gericht und die Liebe Gottes; diese Dinge hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen. Wehe euch Pharisäern! Denn ihr liebet den ersten Sitz in den Synagogen und die Begrüßungen auf den Märkten. Wehe euch! Denn ihr seid wie die Grüfte, die verborgen sind, und die Menschen, die darüber wandeln, wissen es nicht. Aber einer der Gesetzgelehrten antwortete und spricht zu ihm: Lehrer, indem du dieses sagst, schmähst du auch uns. Er aber sprach: Auch euch Gesetzgelehrten wehe! Denn ihr belastet die Menschen mit schwer zu tragenden Lasten, und selbst rühret ihr die Lasten nicht mit einem eurer Finger an.“
Lukas 11:37-46
Jeschua ist hier bei einem Parusch eingeladen Mittag zu essen. Und natürlich vor dem Essen kommt der Kelch mit den zwei Griffen und die Hände werden gewaschen. Jeschua tut es nicht! Und als sich sein Gastgeber darüber wundert, wird er von Jeschua zurechtgewiesen. In seinem eigenen Haus, vor versammelter Mannschaft. Und interessanterweise sind die Worte Jeschuas denen aus Matthäus 23 sehr ähnlich. Die Peruschim übertreten Gottes Gebote um Menschengebote zu halten, sie reinigen das Äußere nicht das innere, sie verlangen von den Menschen zu schwere Dinge und so weiter und so fort.
Wäre die erste Theorie, dass wir ALLES, was die Schriftgelehrten und Peruschim von uns verlangen, tun müssten wahr. Dann würde Jeschua seine eigenen Worte übertreten. Das ist undenkbar.
Daher kann davon ausgegangen werden, dass die zweite Theorie wahr ist. Von dem Stuhl Mosche aus wird nur die Torah gelehrt. Der der auf dem Stuhl sitzt SAGT also Torah, aber durch ihr Einhalten von Menschengeboten TUN sie sie nicht.
Ich habe bewusst den textkritischen Ansatz von Michael Rood weggelassen und nur den Text benutzt der akzeptiert ist.
Jeschuas Anklage an die Elite seiner Zeit ist immer die gleiche:
Ihr fügt hinzu, achtet Menschengebote höher als Gott und somit macht ihr das Gebot Gottes wirkungslos.
Die WERKE der Peruschim sind nicht nur unbedingt ihre Taten sondern auch ihre Erfindungen, ihre hinzugefügten Gebote, die die Torah brechen. Somit tut nicht ihre Werke, folgt nicht ihren Menschengeboten.
Wenn dir ein Parusch aus der Torah vorliest, tu was er liest, tu aber nicht was er daraus macht, sein Werk.
„Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“
Matthäus 11:29-30
Rabbejnu Jeschua legt uns keine schweren und kaum zu tragenden Lasten auf.
Schalom
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